[C. Hueck:] Die Zeitung Die Welt berichtet über eine Meldung der BKK Krankenkasse zu sehr viel häufigeren Impfnebenwirkungen als bisher beim Paul-Ehrlich-Institut gemeldet. Wir bringen eine Analyse der Zahlen und Auszüge des Artikels.
In einem Schreiben an das Paul-Ehrlich-Institut schreibt der Vorstand der BKK ProVita, Andreas Schöfbeck u.a.: "Diese Auswertung hat ergeben, obwohl uns noch nicht die kompletten Daten für 2021 vorliegen, dass wir anhand der vorliegenden Zahlen jetzt schon von 216.695 behandelten Fällen von Impfnebenwirkungen nach Corona Impfung aus dieser Stichprobe ausgehen. Wenn diese Zahlen auf das Gesamtjahr und auf die Bevölkerung in Deutschland hochgerechnet werden, sind vermutlich 2,5-3 Millionen Menschen in Deutschland wegen Impfnebenwirkungen nach Corona Impfung in ärztlicher Behandlung gewesen. ... Hochgerechnet auf die Anzahl der geimpften Menschen in Deutschland bedeutet dies, dass circa 4-5 % der geimpften Menschen wegen Impfnebenwirkungen in ärztlicher Behandlung waren. ... In unseren Augen liegt eine erhebliche Untererfassung der Impfnebenwirkungen vor. ... Unsere erste Vermutung ist, dass, da keine Vergütung für die Meldung von Impfnebenwirkungen bezahlt wird, eine Meldung an das Paul Ehrlich Institut wegen des großen Aufwandes vielfach unterbleibt. Ärzte haben uns berichtet, dass die Meldung eines Impfschadenverdachtsfalls circa eine halbe Stunde Zeit in Anspruch nimmt. Das bedeutet, dass 3 Millionen Verdachtsfälle auf Impfnebenwirkungen circa 1,5 Millionen Arbeitsstunden von Ärztinnen und Ärzten erfordern. Das wäre nahezu die jährliche Arbeitsleistung von 1.000 Ärztinnen und Ärzten."
Bei den 10,9 Mio. Versicherten der Betriebskrankenkassen in Deutschland werden 216.695 Fälle von ärztlich behandlungs-bedürftigen Impf-Nebenwirkungen in einem Zeitraum von 7,5 Monaten (Jan. bis Mitte August 2021) berichtet. Im Vergleich dazu wurden beim Paul-Ehrlich-Institut (PEI) 244.576 leichte und schwerere Nebenwirkungen für das ganze Jahr 2021 gemeldet. Bezieht man die Meldungen des PEI auf die Bevölkerung älter als 18 Jahre (69,5 Mio.), so ergibt sich eine Häufigkeit der beim PEI gemeldeten Nebenwirkungen von 0,35% gegenüber einer Häufigkeit von 2% der von der BKK registrierten Nebenwirkungen. (Diese Berechnung ist konservativ, da sie die jüngeren Menschen nicht berücksichtigt, die ab Sommer 2021 zunehmend geimpft wurden.)
Zum Vergleich müssen die Zahlen der BKK außerdem auf 12 Monate hochgerechnet werden. Für das Jahr 2021 und eine Bevölkerung von 69,5 Mio. Menschen über 18 Jahre ergeben
sich bei der BKK 2,21 Mio. registrierte Nebenwirkungen im Vergleich zu 244.576 beim PEI gemeldete Nebenwirkungen, d.h. ein Unterschied um den Faktor 9.
Beim PEI handelt es sich um so genannte "Verdachtsfälle", bei der BKK um ärztlich bestätigte Diagnosen. Bei der BKK werden nur Nebenwirkungen registriert, die einen Arztbesuch erforderten, während beim PEI auch leichte Nebenwirkungen gemeldet werden. Der tatsächliche Unterschied zwischen den jeweils gemeldeten, schwerwiegenden Fällen wird also noch höher ausfallen. Aufgrund der bei Patienten wie auch bei Ärzten verbreiteten Einstellung, dass Symptome, die im Zusammenhang mit der Impfung auftreten, "ganz sicher nichts mit der Impfung zu tun haben", liegt außerdem wahrscheinlich auch bei der BKK eine Untererfassung der tatsächlichen Fälle vor.
Das PEI meldete für 2021 29.786 Verdachtsfälle von schwerwiegenden und 2.255 Verdachtsfälle von tödlichen Nebenwirkungen der Covid-Impfungen. Aus einer Hochrechnung mit dem Faktor 9 aus den obigen Berechnungen ergeben sich rund 270.000 Verdachtsfälle von schwerwiegenden und 20.000 Verdachtsfälle von tödlichen Nebenwirkungen der Covid-Impfungen in Deutschland in 2021.
Hier der Bericht aus Die Welt:
Erstmals liegen zu Nebenwirkungen von Covid-Impfstoffen die Zahlen eines großen deutschen Krankenkassenverbands vor. Der Vorstand der BKK ProVita, Andreas Schöfbeck, hat die Daten von Millionen Versicherten der BKK-Gruppe analysieren lassen. Die Gesamtzahl der Nebenwirkungen liegt demnach um ein Vielfaches höher als die, die durch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) gemeldet werden.
Bei der BKK ProVita sei man nach Angaben Schöfbecks hellhörig geworden, seit im Fallmanagement der Krankenkasse immer öfter Diagnosen aufgetreten seien, die auf Impfnebenwirkungen schließen ließen. Man habe daher den gemeinsamen Datenpool aller BKK-Kassen nach den dafür vorgesehenen Diagnose-Kodierungen T88.0 (Infektion nach Impfung/Sepsis nach Impfung), T88.1 (Sonstige Komplikationen nach Impfung, Hautausschlag nach Impfung), Y59.9 (Komplikationen durch Impfstoffe oder biologisch aktive Substanzen) und U12.9 (Unerwünschte Nebenwirkungen bei der Anwendung von Covid‐19‐Impfstoffen) durchforstet.
Das Ergebnis: Von Jahresanfang 2021 bis Mitte des dritten Quartals seien 216.695 BKK-Versicherte wegen Nebenwirkungen durch Impfstoffe behandelt worden. Herausgerechnet wurden 7665 Fälle von Komplikationen durch andere Impfstoffe. Etwaige mehrfache Behandlungen von Versicherten seien nicht in die Statistik eingeflossen – man habe pro Patient gerechnet.
Zum Vergleich: Bis zum Stichtag 31.12.2021 verzeichnete das Paul-Ehrlich-Institut auf Basis von 61,4 Millionen Geimpften lediglich 244.576 Nebenwirkungsmeldungen, ausgelöst durch Covid-Impfstoffe. „Unsere Analyse zeigt, dass wir es hier mit einer deutlichen Untererfassung zu tun haben“, sagt Schöfbeck. Er verweist darauf, dass die von ihm und seinem Team ausgewerteten Daten nur 10,9 Millionen Versicherte umfassen und nur einen Zeitraum von siebeneinhalb Monaten; die Impfkampagne läuft in Deutschland bereits seit 14 Monaten.
„Heftiges Warnsignal“
„Gemäß unserer Berechnungen halten wir 400.000 Arztbesuche unserer Versicherten wegen Impfkomplikationen bis zum heutigen Tag für realistisch“, sagt Schöfbeck: „Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung läge dieser Wert bei drei Millionen.“ Wie er sich die Differenz zwischen PEI- und BKK-Daten erklärt? Schöfbeck nennt das Meldesystem als Problem: „Ärzte werden für die Meldung von Impfnebenwirkungen nicht bezahlt. Gleichzeitig ist dieser Vorgang sehr zeitintensiv. Es ist schlicht unmöglich, alles zu melden.“ Zur Art und Schwere der Beschwerden könne auf Basis des Datenpools keine Aussage getroffen werden, so Schöfbeck: „Klar ist nur: Es ist den Leuten so schlecht gegangen, dass sie zum Arzt gegangen sind.“
Mit seinen Erkenntnissen wandte sich Schöfbeck in den vergangenen Tagen an verschiedene Institutionen, darunter die Bundesärztekammer, die Kassenärztliche Vereinigung, den GKV-Spitzenverband und die Ständige Impfkommision (Stiko). Das Schreiben an Paul Cichutek, den PEI-Präsidenten, ist mit dem Betreff „Heftiges Warnsignal bei codierten Impfnebenwirkungen nach Corona Impfung“ überschrieben. Der Verfasser erklärt darin, man sehe die neuen Zahlen „als erhebliches Alarmsignal an, das unbedingt beim weiteren Einsatz der Impfstoffe berücksichtigt werden muss“. Er erwarte schnelle Antworten, weil eine „Gefahr für das Leben von Menschen“ nicht ausgeschlossen werden könne.
Lesen Sie hier den Brief im Wortlaut
Schöfbeck ist seit 21 Jahren Vorstand der BKK Pro Vita mit Sitz in München. Der Krankenkassenbetriebswirt sagt, er fühle sich seinen Versicherten verpflichtet. Daher mache er die Daten öffentlich: „Die Zahlen, die sich bei unserer Analyse ergeben haben, sind sehr weit weg von den öffentlich verlautbarten Zahlen. Es wäre ethisch falsch, nicht darüber zu sprechen.“
Auch der Medizin-Statistiker Gerd Antes ist alarmiert: „Staat und Gesundheitssystem haben die Pflicht, diese Sachlage schnell aufzuklären. Der größte Schaden, der auftreten kann, ist die Beschädigung des Impfbereitschaft“, sagte der ehemalige Direktor des deutschen Cochrane-Zentrums gegenüber WELT.
Vom Paul-Ehrlich-Institut war bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme zu erhalten.
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