[Christoph Hueck:] Vor kurzem wurde mir öffentlich eine kritische Haltung zu den Corona-Impfstoffen unterstellt – daher hier eine Klärung.
Ich habe in molekulargenetischer Mikrobiologie promoviert und anschließend fast 10 Jahre im Bereich bakterieller Genforschung gearbeitet, davon einige Jahre in der Entwicklung neuartiger, therapeutischer Impfstoffe. Ich bin Autor oder Co-Autor etlicher Publikationen in internationalen Wissenschaftsjournalen. Seit 2003 bin ich pädagogisch tätig, habe aber seither die Forschung in meinem Feld weiter verfolgt.
Als die Corona-Krise begann, war ich wie viele andere zunächst skeptisch, ob die neuartigen Impfstoffe innerhalb kürzester Zeit entwickelt werden könnten, denn bisher dauerte es 5 bis 10 Jahre, einen neuen Impfstoff bis zur Zulassung zu bringen. Das war ein Irrtum.
Von Anfang an habe ich eine differenzierte und faktenbasierte Haltung zu den Impfstoffen eingenommen. Ich war und bin der Auffassung, dass jeder Mensch, der ernsthaft gefährdet ist oder sich vom Corona-Virus bedroht fühlt, impfen lassen sollte – jedoch nur aufgrund seiner individuellen, freien Entscheidung.
Die Fakten zeigten von Anfang an, dass die Impfstoffe sehr wirksam gegen Covid-Erkrankungen und -Tod sind. Inzwischen ist jedoch auch klar, dass die Impfstoffwirkung nach einem halben Jahr deutlich nachlässt und, wie eine aktuelle und umfangreiche schwedische Studie (Nordström et al., The Lancet) zeigt, nach 8 bis 9 Monaten fast vollständig verschwindet. Wie lange die Immunität nach einer natürlichen Infektion anhält, ist noch unklar, jedoch bestehen die immunologischen Voraussetzungen für einen langanhaltenden Schutz (Turner et al., Nature). (Dabei ist zu berücksichtigen, dass wir in einem äußerst dynamischen Infektionsgeschehen sowie in einem sich ständig weiter entwickelnden Forschungsfeld stehen. Man kann daher immer nur vom jeweils aktuellen Stand sprechen.)
Die Impfstoffe schützen in hohem Maße gegen Krankheit und Tod, jedoch nicht sehr gut vor einer Infektion mit dem Sars-CoV-2 Virus. Geimpfte können sich – unbemerkt – infizieren und das Virus weiter verbreiten, wenn auch mit etwas geringerer Häufigkeit als Nicht-Geimpfte. Eine Impfung ist daher als Eigen-, jedoch nur sehr bedingt als Fremdschutz geeignet.
Das Nebenwirkungsprofil der Covid-Impfungen ist erstaunlich schlecht, wenn man es mit den Nebenwirkungen praktisch aller anderen vermarkteten Impfstoffe vergleicht. Die in den internationalen Melderegistern öffentlich zugänglichen Daten zeigen z.B., dass die Wahrscheinlichkeit für schwerwiegende Nebenwirkungen oder einen Verdachts-Todesfall nach einer Covid-19-Impfung zwischen 1:3.000 und 1:32.000 pro Geimpftem liegt und damit 40 bis 70 mal höher ist als nach einer Influenza-Impfung (die Daten für die Grippe-Impfung beziehen sich dabei auf 10 Jahre, für die Covid-Impfung auf weniger als 1 Jahr). Viele der Nebenwirkungs-Symptome können allerdings auch bei einer Covid-Erkrankung auftreten. Bei der Impfentscheidung sollte daher unbedingt berücksichtigt werden, wie hoch das individuelle Risiko eines symptomatischen Verlaufs ist. Der individuelle Immunstatus (Alter und Vorerkrankungen) spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Mögliche Langzeitwirkungen der mRNA-Impfungen können selbstverständlich noch nicht abgeschätzt werden. Diese Frage wird erst durch weitere Beobachtungen und Forschungen geklärt werden können.
Über die Verteilung und Persistenz der mRNA-Impfstoffe im menschlichen Körper ist wenig bekannt. [1]
Die Corona-Impfung von Kindern und Jugendlichen sehe ich äußerst kritisch. Junge Menschen haben nur ein verschwindend geringes Risiko für schwere Covid-Verläufe. Eigenschutz ist also – außer bei vorerkrankten Kindern und Jugendlichen – kein schwerwiegendes Argument. Fremdschutz ist möglicherweise ebenfalls kaum gegeben. Junge Menschen lassen sich aus politischen Gründen impfen, um den gesellschaftlichen Verboten zu entgehen. Ich halte das für eine äußerst fragwürdige Begründung.
Ich habe mich von Anfang an gegen die Auffassung gestellt, dass die mRNA-Impfstoffe eine genverändernde Wirkung hätten. Diese Impfstoffe ahmen bis zu einem gewissen Grad eine natürliche Infektion mit dem Sars-CoV-2 Virus nach. Auch bei der natürlichen Infektion werden unsere Zellen durch fremde Gene "umprogrammiert". Deshalb ist eine natürliche Infektion mit dem Sars-CoV-2 Virus jedoch keine Genveränderung. Von einer Genveränderung könnte man nur sprechen, wenn die virale oder Impf-RNA dauerhaft in die menschliche Erbsubstanz integriert würde. (Die irrwitzige Behauptung von Impfstoffkritikern, dass das Sars-CoV-2 Virus und die entsprechende Impfung bereits seit Beginn der 2000er Jahre patentiert gewesen seien, braucht hier nicht weiter diskutiert zu werden. Ich möchte allerdings erwähnen, dass ich mich in persönlicher Kommunikation mit etlichen Kritikern gegen solche und ähnliche Falschbehauptungen gestellt habe.)
Ein Unterschied zwischen Impfung und natürlicher Infektion ist, dass die Infektion über die Schleimhäute erfolgt und damit eine Schleimhautimmunität durch sekretorische Antikörper erzeugt, die durch die Impfung nicht induziert werden. Hier könnte der entscheidende Grund dafür liegen, dass Geimpfte im Nasen-Rachenraum immer noch infiziert werden und das Virus weiterverbreiten können. Außerdem könnte hier auch ein Grund dafür liegen, dass die Immunität ein halbes Jahr nach einer natürlichen Sars-CoV-2 Infektion bis zu 27 mal höher ist als nach einer Impfung, wie eine aktuelle israelische Studie zeigt (Gazit et al., BMJ). Schleimhautimmunität und die altersabhängige Stärke des angeborenen, unspezifischen Immunsystems sind wahrscheinlich auch entscheidend dafür, dass junge und gesunde Menschen eine Infektion in aller Regel problemlos verarbeiten.
In den Medien wird immer wieder meine Aussage zitiert, dass ein gutes Immunsystem vor einer Corona-Erkrankung schützt. Mit dieser Aussage ist das oben Gesagte gemeint: Junge und gesunde Menschen haben nur ein äußerst geringes Risiko einer ernsthaften Covid-Erkrankung. Ältere und Vorerkrankte, also immungeschwächte Personen sollten dagegen in einer risikostratifizierten Weise geschützt werden und sich selbst schützen.
Eine – direkte oder indirekte – Impfpflicht halte ich aus medizinischen und gesellschaftspolitischen Gründen für fatal. Aus den vorliegenden Daten kann man mit ziemlicher Sicherheit voraussagen, dass das Infektionsgeschehen dadurch nicht „besiegt“ werden wird. Herdenimmunität durch Massenimpfung wird es aus den oben genannten Gründen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht geben. Die Impfung ist eine Frage der individuellen Abwägung, keine schwarz-weiß-Entscheidung. Und das muss sie auch bleiben.
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[1] In einer ersten Version dieses Beitrages hatte ich weiterhin geschrieben: "Es erstaunt, dass die Zulassungsbehörden meines Wissens nach keine ausführlicheren Studien zu dieser wichtigen Frage forderten." Zu diesem Punkt sind mir inzwischen mehr Daten bekannt geworden, die ich hier bald darstellen werde.
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