Die STIKO spricht sich gegen eine Corona-Impfung von 12- bis 17-Jährigen aus und sieht in Kitas und Schulen keine Pandemietreiber

[Christoph Hueck:] Die Ständige Impfkommission am Robert Koch Institut hat sich im Epidemiologischen Bulletin 23/21 vom 11. Juni 2021[1] gegen eine Impfung von Jugendlichen im Alter zwischen 12 bis 17 Jahren ausgesprochen. Zur Begründung gibt die STIKO an, dass 1.) eine Infektion in diesem Alter in den allermeisten Fällen asymptomatisch oder mild verläuft, eine Impfung zum Selbstschutz also nicht notwendig ist, 2.) die Zulassungsstudie an zu wenigen Kindern und Jugendlichen durchgeführt wurde, um seltene Nebenwirkungen zu bemerken, und 3.) mögliche Langzeitfolgen der Impfung nicht beurteilt werden können.

 

In dem Papier heißt es: „Viele Kinder und Jugendliche infizieren sich asymptomatisch mit SARS-CoV-2 und ohne Vorerkrankungen ist der COVID-19-Krankheitsverlauf meist mild. Hospitalisierungen und intensivmedizinische Behandlungen aufgrund von COVID-19 sind selten und bisher traten nur einzelne Todesfälle bei schwer Vorerkrankten auf. Die Krankheitslast von COVID-19 bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 12–17 Jahren ist mit der Krankheitslast von Influenza in dieser Altersgruppe vergleichbar.“ (S. 29)

 

„Der Nutzen der Impfung, schwere Erkrankungen und Todesfälle zu verhindern, ist in dieser Altersgruppe nicht allgemein gegeben. Es müssten etwa 100.000 12 – 17-jährige Kinder und Jugendliche geimpft werden, um einen einzigen COVID-19-bedingten Todesfall in dieser Altersgruppe zu verhindern.“ (S. 29)

 

Der BioNTech mRNA Impfstoff habe zwar in der Zulassungsstudie bei Jugendlichen eine hohe Effektivität zum Schutz vor COVID-19 gezeigt. „Hinsichtlich der Sicherheit des Impfstoffs bestehen jedoch noch Wissenslücken, da die Nachbeobachtungszeit nach Impfung zu kurz und die Zahl der eingeschlossenen ProbandInnen zu gering war. Dies bedeutet, dass unerwünschte Ereignisse, die mit einer Häufigkeit von weniger als 1 pro 100 verabreichten Impfstoffdosen auftreten, kaum erkannt werden können. Aufgrund der kurzen Nachbeobachtungszeit in der Zulassungsstudie können auch ggf. häufigere, aber verzögert auftretende unerwünschte Ereignisse derzeit noch nicht ausgeschlossen werden.“ (S. 29)

 

Außerdem weist die STIKO darauf hin, dass es in Israel, in Norwegen und vereinzelt auch in Deutschland Hinweise auf das Auftreten von Herzmuskel-Entzündungen bei jüngeren Männern nach einer Impfung mit dem BioNTech Impfstoff gab. (S. 25)

 

Schließlich spricht sich die STIKO „explizit dagegen aus, dass der Zugang zur Teilhabe an Bildung, Kultur und anderen Aktivitäten des sozialen Lebens vom Vorliegen einer Impfung abhängig gemacht wird.“ (S. 29)

 

Kitas und Schulen sind keine Pandemietreiber

Interessant ist auch, dass die STIKO die Gefahr einer Übertragung von Sars-Cov-2 durch Kinder und Jugendliche als gering einschätzt: „Die verfügbaren Studien zur Transmission weisen darauf hin, dass Kinder und Jugendliche eine untergeordnete Rolle bei der Weiterverbreitung von SARS-CoV-2 spielen.“ (S. 11) „Studienergebnisse (…)  legen nahe, dass es unwahrscheinlich ist, dass Bildungseinrichtungen eine zentrale Rolle für das Infektionsgeschehen in der Pandemie spielen.“ (S. 11) „Die primäre Quelle von Infektionen sind Haushaltskontakte. Übertragungen in Schulen und anderen Betreuungseinrichtungen spielen eine untergeordnete Rolle.“ (S. 21)

 

Zur Infektiösität von Kindern und Jugendlichen in Kitas und Schulen liegen einige interessante Untersuchungen vor.

 

Eine Studie der Uni Heidelberg[2] untersuchte das Übertragungsrisiko von SARS-CoV-2 in Kitas und Schulen in Rheinland-Pfalz zwischen August und Dezember 2020. Die Studie ergab, dass ein infiziertes Kind im Durchschnitt nur eines von vier anderen Kindern infizierte, mit denen es Kontakt hatte, während ein infizierter Schüler rein rechnerisch nur einen von 4.000 Lehrern, die Kontaktpersonen waren, infizierte.

 

Eine Studie des Gesundheitsamtes Frankfurt/Main[3], die in der Monatsschrift für Kinderheilkunde publiziert wurde, zeigte, dass von März 2020 bis zum 31.12.20 bei Kindern bis 14 Jahren nur halb so viele SARS-CoV-2-Nachweise gemeldet wurden, als es ihrem Anteil an der Bevölkerung entsprochen hätte. Von 274 Primärfällen aus 143 Kitas und 75 Schulen wurden 7915 Kontaktpersonen (KP) getestet. In Kitas wurde bei 4,5 % der erwachsenen KP und bei 2,5 % der Kinder-KP, in Schulen bei 0,9 % der Erwachsen-KP und bei 2,5 % der getesteten Schüler-KP SARS-CoV‑2 nachgewiesen. Pro Primärfall wurde im Mittel deutlich weniger als eine Kontaktperson positiv getestet. Ein größerer Ausbruch trat nicht auf. Die Autoren schreiben: „Aus der Höhe und dem zeitlichen Ablauf der altersbezogenen Inzidenzen bei den Kindern in Frankfurt am Main ergaben sich keine Hinweise darauf, dass Kinder die ‚Treiber‘ der Pandemie sind. (…) Bei fehlenden Hinweisen auf ein intensives Transmissionsgeschehen in den Einrichtungen kann/sollte der Besuch der KP unter Hygieneauflagen fortgesetzt werden, und es ergibt sich keine Notwendigkeit, ganze Gruppen, Klassen oder gar Einrichtungen zu schließen.“

 

Eine im Britisch Medical Journal publizierte Studie der TU Dresden[4] untersuchte das Infektionsgeschehen in den Jahrgangsstufen 8-12 einer Schule in Dresden im November und Dezember 2020. 197 Schüler und 40 Lehrer wurden mehrmals auf Antikörper gegen SARS-CoV-2 untersucht. Die Infektionsrate stieg von 1,7 % auf 6,8 % und spiegelte damit den Anstieg der offiziell gemeldeten SARS-CoV-2-Infektionen während dieser Zeit wider. Die Autoren schreiben: „Wir konnten keine Hinweise auf eine relevante stille, asymptomatische Ausbreitung von SARS-CoV-2 in Schulen finden, weder in einem Setting mit niedriger Prävalenz noch während der zweiten Welle der Pandemie, was es unwahrscheinlich macht, dass schulische Settings eine entscheidende Rolle bei der Ausbreitung der SARS-CoV-2-Pandemie spielen.“

 

Eine vor kurzem in Science publizierte Studie aus dem Labor von C. Drosten[5] behauptet demgegenüber, dass Kinder genauso ansteckend seien wie Erwachsene. Diese Studie untersuchte die Ergebnisse von PCR-Tests an 25.381 Personen in Berlin, darunter 6.110 prä-, a- und mild-symptomatischen Fälle. Die gemessenen Zyklen der PCR-Tests wurden für verschiedene Altersgruppen in eine „Viruslast“ umgerechnet. Die Anzahl der getesteten Kinder war deutlich geringer als die der Erwachsenen (330 0-5-Jährige, 185 5-10-Jährige, 227 10-15-Jährige, 643 15-20-Jährige, aber 16.145 20-65-Jährige und 7.851 >65-Jährige), sodass die statistischen Daten für die Kinder vergleichsweise weniger aussagekräftig sind. Die Studie stellte fest, dass die „Viruslast“ bei Kindern niedriger ist als bei Erwachsenen, wobei die Autoren dies auf eine wahrscheinlich geringere Probenmenge bei der Entnahme zurückführen (was aber nicht mit Daten belegt wird). Im Vergleich zu den oben beschrieben epidemiologischen Studien erlaubt diese Studie nur äußerst indirekte Aussagen über eine tatsächliche Infektiösität von Kindern und Jugendlichen. Falls die Aussage der Drosten-Studie zutreffend wäre, hätten die oben genannten Untersuchungen ganz andere Ergebnisse liefern müssen.

 

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[1] https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/Ausgaben/23_21.pdf?__blob=publicationFile#:~:text=Die%20STIKO%20empfiehlt%20bei%20Kindern,Comirnaty%20(BioNTech%2FPfizer)

[2] https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.02.04.21250670v2

[3] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7922714/

[4] https://bmjpaedsopen.bmj.com/content/bmjpo/5/1/e001036.full.pdf

[5] https://science.sciencemag.org/content/early/2021/05/24/science.abi5273

 

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